Navigation auf uzh.ch
Die Syphilis entsteht durch eine Infektion mit dem Bakterium «Treponema pallidum», welches sich über eine kleinste Verletzung in der Haut oder Schleimhaut ausbreiten kann. Von der Eintrittsstelle aus breitet es sich langsam in die Lymphknoten (Stadium I) und dann über mehrere Wochen im ganzen Körper aus (Stadium II). In dieser Zeit kann die betroffene Person auch andere Personen anstecken.
Je nach Abwehrlage des Menschen gelingt es dem Immunsystem, das Bakterium zu vernichten oder in Schach zu halten (Latenzstadium).
Bei einem Drittel der unbehandelten Patienten wird das Bakterium aber nicht vollständig gestoppt und kann noch nach Jahren oder Jahrzehnten irgendwo im Körper zu Entzündungen mit Vernarbungen, Organzerstörungen und sogar bis zum Tod führen (Spätsyphilis, Stadium III).
Das Bakterium überlebt nur in feuchtwarmem Milieu und ist nicht so einfach zu übertragen. Daher ist ein enger Körper- bzw. Schleimhautkontakt (Geschlechtsverkehr) nötig (im Gegensatz zu Tröpfcheninfektionen wie bei Erkältungsviren, Grippe oder Kinderkrankheiten).
Die Syphilis verläuft in drei Stadien:
Stadium I, Primärstadium:
Ungefähr 2 Wochen nach der Infektion kommt es an der betroffenen Stelle (meist genital, selten im Mund oder an einer anderen Körperstelle) zu einem schmerzlosen roten harten Knoten oder einem Geschwür, das kaum schmerzt. In den folgenden Tagen schwellen die benachbarten Lymphdrüsen an (z.B. in der Leiste). Alle diese Symptome heilen innert wenigen Wochen wieder ab.
Stadium II, Sekundärstadium:
Nach einer Dauer von etwa zwei bis drei Monaten können grippeartige Symptome mit Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen auftreten, gefolgt von ganz unterschiedlichen Ausschlägen: diffuse Flecken am ganzen Körper, rote Flecken und Schuppungen an Händen und Füssen oder Schleimhautveränderungen im Mund oder Genitalbereich. Diese meist symptomlosen Hautveränderungen werden oft übersehen oder können auch mit anderen Hautkrankheiten verwechselt werden. Dies ist ein Zeichen der Generalisierung/Verteilung der Bakterien im ganzen Körper. Auch diese Hautveränderungen heilen ohne Therapie wieder ab, können aber in den kommenden Monaten immer wieder aufflackern.
Latente Syphilis, Latenzstadium:
In dieser symptomlosen Phase sind die Erreger im Körper noch vorhanden, die Erkrankung ist aber zum Stillstand gekommen. Der Betroffene ist gesund und nicht ansteckend. Bei etwa einem Drittel der Patienten kommt es nach Jahren zur Spätsyphilis.
Stadium III, Tertiärstadium:
Nach drei Jahren oder später können die Erreger, welche sich im ganzen Körper ausgebreitet haben, entzündliche harte Knoten (sog. Gummen) an irgendeinem Organ auslösen (z.B. Haut, Schleimhaut, Knochen oder besonders gefährlich an der Hauptschlagader).
Sonderformen:
Neurolues
Im Stadium II oder III der Syphilis kann parallel auch das Nervensystem mitbefallen werden (Neurolues). Dies kann sich in Persönlichkeitsveränderungen manifestieren oder auch mit chronischen Schmerzen oder zunehmende Lähmungserscheinungen einhergehen. Wird die Syphilis dann nicht behandelt, kann dies zu einer Demenz führen.
Angeborene Syphilis, Lues connata
Wenn eine schwangere Frau an Syphilis erkrankt, dann kann das Bakterium auch das noch ungeborene Kind infizieren. Folgen sind Fehl- oder Frühgeburten und Ausschläge beim Kleinkind. Als Langzeitfolgen kann es unter anderem zu Augen-, Gehör- und Zahnschäden kommen.
Eine Infektion mit «Treponema pallidum» kann im Blut nachgewiesen werden. Die klassischen Laboruntersuchungen ermöglichen eine Diagnose frühestens ca. 2 Wochen nach Ansteckung. Ein aktuell in Zürich neu entwickelter, aber für die tägliche Routine noch nicht erhältlicher Test ermöglicht die Diagnose bereits nach 48 Stunden. Die Laborwerte geben auch Hinweise über den Erfolg einer Behandlung. Sie sind aber nicht immer ganz einfach zu interpretieren.
Bei verdächtigen oder unklaren Symptomen (Ausschläge, Hals-, Kopfschmerzen, allgemeines Krankheitsgefühl) in den Tagen und Wochen nach einer Risikosituation sollte eine Testung zum Ausschluss einer sexuell übertragbaren Krankheit durchgeführt werden. Dazu gehören neben der im Verhältnis immer noch seltenen Syphilis vor allem HIV und allenfalls Hepatitis.
Ansteckungen mit dem Syphiliserreger können auch ohne bemerkbare Symptome verlaufen, so dass nach einer Risikosituation eine Testung auch Sinn macht, wenn keine Beschwerden aufgetreten sind.
Umgekehrt kann aber auch festgestellt werden, dass eine Testung nicht notwendig ist, wenn keine Risikosituation bestand («safer sex», nur Küssen – aber Achtung: oraler Geschlechtsverkehr kann ansteckend sein!).
Eine Labortestung kann grundsätzlich in jeder Arztpraxis oder Poliklinik durchgeführt oder veranlasst werden. Einige Beratungsstellen (Checkpoint Zürich, Zentrum für Infektionskrankheiten Zürich) und medizinische Laboratorien bieten ebenfalls die Möglichkeit für Testungen an. Eine Testung auf sexuell übertragbare Krankheiten kann anonym erfolgen, muss dann aber direkt bezahlt werden.
Informationen und Adressen zur Beratung oder für Testungen finden Sie einfach im Internet, z.B. unter: www.aids.ch
Ja, die Syphilis lässt sich mit Penicillin oder gewissen anderen Antibiotika heilen. Allerdings ist eine genügend lange Therapiedauer notwendig, da sich das Bakterium nur sehr langsam vermehrt. Je nach Stadium und Infektionsdauer kann die Syphilis mit einer bis drei Spritzen eines Depot-Penicillins geheilt werden. Je nachdem, wie fortgeschritten die chronische Entzündung ist, können Narben oder Schädigungen zurückbleiben.
In einem Drittel der Fälle gelingt es dem Immunsystem, den Erreger vollständig zu eliminieren. Bei etwa einem Drittel der Infizierten ist der Erreger zwar noch vorhanden, aber vom Immunsystem so unter Kontrolle, dass er sich nicht weiter ausbreiten kann. «Nur» bei einem Drittel der Infizierten führt die Syphilis zu schweren Langzeitschäden oder gar zum Tod.
Ein 30%iges Risiko für schwere Spätfolgen oder tödlichen Ausgang ist eine dramatisch hohe Zahl.
Besonders wichtig ist auch, dass angesteckte Menschen im Stadium I und besonders im Stadium II selbst hochansteckend sind und die Krankheit über ungeschützten Geschlechtsverkehr weiterverbreiten können.
«safer sex», Prävention und Therapie sind also dringend nötig.
Wie schwierig es für das Immunsystem ist, das «Treponema pallidum» zu bekämpfen, zeigt sich auch in der Tatsache, dass ein Mensch selbst nach erfolgreich überstandener Infektion nicht immun gegen Syphilis wird und bei einer erneuten Ansteckung mit dem Bakterium auch wieder an Syphilis erkrankt.
Es ist immer noch nicht endgültig geklärt, seit wann es die Krankheit Syphilis gibt. Spuren an alten Knochen lassen vermuten, dass es eine ähnliche Krankheit bereits im Altertum gegeben haben könnte.
Die meisten Wissenschaftler sind sich aber heute einig, dass der Syphiliserreger 1493 durch die Mannschaft des Kolumbus aus Lateinamerika nach Europa gebracht und sich dann unter anderem auch über das Söldnerheer in kurzer Zeit in ganz Europa ausbreiten konnte.
Das Bakterium ist eng verwandt mit dem Erreger der «Frambösie» (siehe auch Vitrinen zu den «exotischen» Krankheiten), welcher in den Tropen vorkommt und ähnliche Symptome wie die Syphilis verursachen kann.
Der anfänglich hochansteckende Syphiliserreger breitete sich damals in Europa rasant und seuchenhaft aus und löste eine aggressive Krankheit aus, welche bei der immunologisch unvorbereiteten Bevölkerung in wenigen Wochen zum Tod führen konnte. Innerhalb der ersten knapp zehn Jahre veränderte sich der Erreger und das Immunsystem der Europäer und die Syphilis entwickelte sich zu einer nur noch durch Geschlechtsverkehr übertragbaren und langsam fortschreitenden Krankheit.
Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurden Bakterien, Pilze und später auch Viren als Erreger von Krankheiten erkannt. Zuvor wurden atmosphärische Umstände (unglückliche Sternenkonstellationen, schlechte Luft), Fehlverhalten («Unzucht», ungesunde Lebensweise, Trunkenheit) und Giftstoffe als Ursache für sich ausbreitende Krankheiten angesehen. Nachdem bereits um 1880 erste Bakterien als Krankheitserreger identifiziert worden waren, wurde 1905 das Bakterium «Treponema pallidum» als Ursache für die Syphilis gefunden. Bereits 1906 war ein erster (noch ungenauer) Labortest zur Diagnose möglich.
Durch den Nachweis des Bakteriums konnte die Syphilis genauer beschrieben werden. Zuvor wurden einzelne Formen der Syphilis als eigenständige Krankheiten angesehen und umgekehrt konnten andere Krankheiten neu von einer Syphilis abgegrenzt werden.
Bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts wurde die Syphilis mit dem hochgiftigen Quecksilber in Form von Quecksilberdämpfen, Quecksilbersalben oder als Präzipitat zum Einnehmen behandelt. Die Therapie war vermutlich nicht ganz unwirksam. Vor allem aber war sie gefährlich: als Folge der Quecksilbervergiftung kam es zu Mundschleimhautentzündungen mit Zahnausfall, Haarausfall, Körperschwäche und tödlichen Organschädigungen.
Insbesondere nach der 1519 von Ulrich von Hutten veröffentlichten Schrift über die Therapie der Syphilis galt die Anwendung von einem Sud aus dem amerikanischen Guajak-Baum als Alternative zur Quecksilbertherapie. Soweit wir das heute beurteilen können, war diese Therapie leider völlig wirkungslos.
1909 fand der deutsche Bakteriologe Paul Ehrlich zusammen mit Sahachiro Hata ein Arsenderivat, das eine Wirkung zeigte und deutlich weniger giftig war als Quecksilber. Es hiess Salvarsan oder auch Präparat 606, da es das 606. ausgetestete Arsenpräparat gewesen war. Die Wirkung war allerdings nicht so gut, wie zuerst erhofft und angepriesen. Es folgte bald das besser verträgliche Neosalvarsan, aber auch dieses wurde zur Wirkungssteigerung manchmal mit Wismuth oder Quecksilber kombiniert.
Der Durchbruch in der Syphilistherapie kam mit dem aus Pilzen stammenden Antibiotikum Penicillin, welches bereits 1928 von Alexander Fleming entdeckt worden war. Erst in den 1940er Jahren wurde in den USA die Möglichkeit erkannt, Penicillin in grösseren Mengen herzustellen und als Medikament einzusetzen. Nach dem zweiten Weltkrieg war Penicillin ab 1946 auch in der Schweiz erhältlich und wird seither angewendet, ohne dass es bisher zu einem Wirkungsverlust (Resistenzen) gekommen wäre.
Besonders Ende des 19. und anfangs des 20. Jahrhunderts wurde in der Syphilis eine grosse Gefahr für die zunehmend industrialisierte und in Grossstädten lebende Gesellschaft gesehen. Unter den Experten wurden Infektionsraten von über 10% der Bevölkerung angenommen und diskutiert. Es bestand ein dringender Handlungsbedarf. Es galt, die Ansteckungsraten durch Aufklärung und konsequente Therapie in den Griff zu bekommen.
Aus moralischen Gründen war es nur schwer möglich, zum Gebrauch von Schutzmitteln (v.a. Kondom) zu raten, da dies als Freipass zum vor- oder ausserehelichen Geschlechtsverkehr angesehen wurde. Ganz im Vordergrund stand die Ermahnung zur Enthaltsamkeit ausserhalb der Ehe.
In dieser Zeit wurde der sexuelle Trieb als eine männliche Eigenschaft wahrgenommen, die der (junge) Mann durch Zucht und Selbstdisziplin in Schranken halten musste, der er aber bis zu einem gewissen Grade auch ausgeliefert war. «Glücklicherweise» hatten Frauen, dieses Problem nicht, da die Lehrmeinung galt, dass der Sexualtrieb der Frauen erst durch den Geschlechtsverkehr in der Ehe geweckt werde. Es war somit aber auch möglich, eine junge Frau durch zu frühen Kontakt mit Sexualität «zu verderben». Einem so «gefallenen Mädchen» drohte die Gefahr, in die Prostitution abzurutschen.
In diesem Sinne war es zwar unmoralisch aber doch irgendwie akzeptiert, dass Männer auch vor- oder ausserehelichen Geschlechtsverkehr suchen – ja, bei unverheirateten Männern wurde gar diskutiert, ob langjährige Abstinenz nicht auch schädlich sein könnte und somit der Gang zu einer Prostituierten notfalls sogar empfohlen werden müsse.
Neben der Verhütung von Ansteckungen galt es, die Erkrankten so rasch wie möglich (ab 1910 mit dem Arsenprodukt Salvarsan) zu heilen, was durch regelmässige ambulant durchführbare Infusionstherapien mit mässigem Erfolg möglich war. Da gemäss der oben zusammengefassten Doppelmoral syphiliskranke Prostituierte eine besonders grosse Gefahr für die Gesellschaft darstellten, mussten diese kontrolliert und im Krankheitsfall in der Regel im Krankenhaus unter Überwachung bis zur vollständigen Abheilung behandelt werden.
Das ist heute sehr schwer zu rekonstruieren. Um 1900 erachteten die Fachärzte, die Gesellschaften zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten und Sittlichkeitsvereine folgende Bevölkerungsgruppen als besonders betroffen: Prostituierte, Soldaten, Servicepersonal in der Hotellerie und Restauration, Dienstmädchen und Studenten.
Als wichtiger Risikofaktor wurde zudem der Alkoholkonsum angesehen, welcher enthemmt und zu Leichtsinn anregt. Die Grossstadtjugend schien durch «moderne» Medien mit anzüglichen Bildern und Verführungen an Kiosken und im Kino bedroht. Ganz allgemein drohte in den rasch wachsenden Grossstädten ein moralischer Zerfall und Sittenverlust.
Es fehlen aber zuverlässige Untersuchungen und in vielen Debatten, Diskussionen und Untersuchungen vermischten sich die medizinischen Erfahrungen mit moralischen und sozialpolitischen Interessen und Absichten.
Um 1900 suggerierten in Deutschland Statistiken, dass bis zu 20% der Studenten in den Städten geschlechtskrank seien. Eine erste seriös durchgeführte Umfrage unter den Schweizer Ärzten zeigte 1921, dass zu diesem Zeitpunkt «nur» 0.4% Patienten wegen Geschlechtskrankheiten behandelt wurden.
Nachdem mit Penicillin eine einfache und effektive Therapie möglich war und unter der neuen Bedrohung mit HIV «safer sex» öffentlich propagiert und enttabuisiert wurde, nahm die Anzahl der Syphiliskranken rasch ab und man ging gegen Ende des 20. Jahrhunderts davon aus, dass die Syphilis verschwinden wird. In den letzten 10 Jahren hat die Syphilis nun wieder deutlich zugenommen. Während weltweit die rasch wachsende Mobilität und die einfache Vernetzung mit Hilfe des Internets (Dating-Plattformen) hier eine wichtige Rolle spielen, liegt es in der Schweiz vor allen an einer gewissen «Kondom-Müdigkeit», insbesondere seit HIV dank moderner Therapien kein Todesurteil mehr darstellt.
Situation in der Schweiz:
Seit 2009 stieg die Anzahl Neuinfektionen von 373 auf 969 im Jahr 2017. Aktuell ist ein leichter Rückgang feststellbar, vermutlich dank den verstärkten Präventionsbemühungen.
2009: total 373, davon 300 Männer und 73 Frauen
2017: total 969, davon 845 Männer und 121 Frauen
Der Frauenanteil ist in Europa mit ca. 10% deutlich geringer als der Anteil der betroffenen Männer. Dies hat direkt mit dem sexuellen Verhalten der Männer zu tun (häufigerer Wechsel der Sexualpartners, Risiko-Geschlechtsverkehr).
Gehäuft finden sich Syphilisinfektionen bei MSM («men who have sex with men»).
Die genauen und detaillierter aufgeschlüsselten Zahlen finden Sie auf der Website des Bundesamtes für Gesundheit BAG publiziert.
Besonders der Tuberkulose wurde eine gewisse Romantik nachgesagt: die «Schwindsucht» junger verliebter, sich aufopfernder Menschen war Inhalt von berühmten Werken wie «die Kameliendame» von Alexandre Dumas oder Verdis «La Traviata».
Die «Lustseuche» Syphilis war eher negativ behaftet und galt als soziales Problem und Ursache von Familientragöden, wie in Ibsens «Gespenster» als Folge der Sünden der Väter dramatisch angedeutet.
Eine besondere Genialität aber auch Kriminalität als Folge der Syphilis des Nervensystems (Neurolues) wurde zahlreichen berühmten Personen im Nachhinein unterstellt. In Werken wie «Die genialen Syphilitiker» (Brunold Springer, 1926) oder «Genie, Irrsinn und Ruhm» (Wilhelm Lange-Eichbaum und Wolfram Kurth, 1928) tauchen Namen auf wie:
Baudelaire, Beethoven, Al Capone, Cellini, Chopin, Churchill, Dürer, Erasmus von Rotterdam, Gaugin, van Gogh, Goya, Heine, Heinrich VIII., Hitler, Iwan der Schreckliche, Karl VIII., Katharina II., Lenin, Ludwig XIV., Maupassant, Mussolini, Napoleon Bonaparte, Nietzsche, Paganini, Rembrandt, Richelieu, Schopenhauer, Schubert, Schumann, Wallenstein, Wilde und viele mehr.
Bei einigen der aufgeführten Personen ist die Diagnose möglich oder wahrscheinlich, bei anderen eine reine oder gar unwahrscheinliche Hypothese. Auf alle Fälle ist es aus wissenschaftlich-historischer Sicht nicht möglich und nicht gerechtfertigt, besondere Leistungen, Verbrechen oder gar den Lauf der Geschichte in einen direkten Zusammenhang mit einer Syphiliserkrankung zu bringen – auch wenn dies in reisserischer Weise gerne so gemacht wird.
Bereits knapp 20 Jahre nach ihrem Auftauchen hatte die Syphilis als Lustseuche einen schlechten Ruf erhalten, das zeigen auch die unterschiedlichen Namen, welche die Krankheit im Laufe der darauffolgenden Jahrhunderte erhalten hatte. So wurde sie anfänglich vor dem Hintergrund der Ausbreitung durch Söldner des französischen Heeres von Neapel aus als «Neapolitanische» oder «Franzosen»-Krankheit bezeichnet, insbesondere durch Italiener und Deutsche. Die Franzosen nannten sie die «Italienische Krankheit». Für die Polen war es die «Deutsche» Krankheit und für die Russen die «Polnische».
Der italienische Dichter Fracastoro versuchte diese Schuldzuweisung zu entschärfen und erfand 1530 die Geschichte des Schafhirten Syphilos, der wegen Gotteslästerung mit der Krankheit bestraft wurde. Allerdings setzte sich der neutrale Name Syphilis erst im Laufe des 18. Jahrhunderts langsam durch.